Warum Anschreien nichts bringt: Ein Blick in Ihr Gehirn

Kennen Sie das?

Vor Kurzem hatte ich eine Kundin, die ihren Mann immer wieder angeschrien hat und sich kaum beruhigen konnte. Selbst in unserer Therapie sprach sie sehr laut mit mir, und obwohl ich ihr mehrmals versicherte, dass ich auch leiser alles gut verstehen würde, fiel es ihr schwer, damit aufzuhören. Diese Klientin, wie viele von uns, lag einem weit verbreiteten Irrtum auf: dem Glauben, dass Lautstärke zu mehr Gehör oder schnelleren Lösungen führt.

Doch die Wahrheit ist: Anschreien bringt uns keinen Schritt weiter – im Gegenteil. Und die Erklärung dafür liegt tief in der Funktionsweise unseres Gehirns.

Im Alltag begegnen uns unzählige Situationen, die starke Emotionen in uns auslösen können. Manchmal reagieren wir dann überraschend heftig oder anders, als wir es eigentlich möchten. Das kann zu Missverständnissen führen und unsere Beziehungen belasten. Um zu verstehen, warum das so ist und warum Schreien die Situation nur verschlimmert, werfen wir einen Blick auf die drei Hauptbereiche unseres Gehirns:

Der Neocortex: Unser „Denkhirn“ – Der Ort der Vernunft

Der Neocortex, auch Großhirnrinde genannt, ist der jüngste und am weitesten entwickelte Teil unseres Gehirns. Er ist das Zentrum für alles, was uns als denkende Menschen auszeichnet:

  • Logisches Denken und Verstand
  • Planung und Problemlösung
  • Sprache und Kreativität
  • Rationale Entscheidungen

Wenn wir uns ruhig und ausgeglichen fühlen, arbeitet unser Neocortex optimal. Er ermöglicht uns, Situationen bewusst zu analysieren, abzuwägen und angemessen zu reagieren. Doch in emotionalen Extremsituationen sieht das anders aus.

Das Stammhirn: Unser „Reptiliengehirn“ – Der Überlebensmodus

Das Stammhirn ist der älteste und ursprünglichste Teil unseres Gehirns. Es kümmert sich um alle lebenswichtigen Grundfunktionen wie Atmung oder Herzschlag. Aber es ist auch der Bereich, der für unsere instinktiven Überlebensreaktionen verantwortlich ist:

  • Kampf: Aggressives Verhalten
  • Flucht: Das Bedürfnis wegzulaufen
  • Erstarren: Eine Schockstarre
  • Unterwerfen: Nachgeben oder sich unterordnen

Diese Reaktionen sind blitzschnell und automatisch, denn sie waren in der Urzeit überlebenswichtig. Wenn das Stammhirn aktiv ist, bleibt kaum Raum für bewusstes Nachdenken. Es geht nur ums blanke Überleben – und das beinhaltet eben auch Schreien als Alarmsignal oder Angriff.

Die Amygdala: Unser „Gefahrenmelder“ – Das Emotionszentrum

Die Amygdala ist ein kleiner, mandelförmiger Bereich in unserem Gehirn, der oft als unser „Gefahrenmelder“ beschrieben wird. Sie ist das Hauptquartier unserer Emotionen, besonders von Angst und Wut.

  • Emotionales „Hijacking“: Bei starkem Stress, oder wenn wir emotional „angetickert“ werden (zum Beispiel, weil uns jemand anschreit), kann die Amygdala die Kontrolle übernehmen. Wir fühlen uns dann in einem „Gefühlsstrudel“ gefangen und reagieren impulsiv, ohne dass unser Verstand eingreifen kann.
  • Kein rationales Denken: In solchen Momenten ist der rationale Teil unseres Gehirns – der Neocortex – kaum erreichbar. Das ist der Grund, warum wir uns in emotionalen Ausbrüchen manchmal wie ein „schreiendes Kind“ verhalten und nichts dazulernen.

Warum Schreien die Kommunikation blockiert

Dieses Wissen hilft uns zu verstehen, warum Anschreien in Konflikten absolut kontraproduktiv ist. Wenn Sie in einem starken emotionalen Zustand sind – weil Sie sich bedroht fühlen, wütend sind oder eben angeschrien werden – übernimmt Ihre Amygdala oder sogar Ihr Stammhirn das Ruder.

In diesem Zustand ist es schwierig, rational zu sein, zuzuhören oder neue Verhaltensweisen zu lernen. Ihr Gehirn ist auf Überleben und emotionale Verteidigung eingestellt, nicht auf Lösungen oder Verständnis. Schreien erhöht den Stresspegel und verstärkt diesen „Notfallmodus“ – sowohl bei der Person, die schreit, als auch bei der Person, die angeschrien wird.

Unser Ziel: Emotionen verstehen und wandeln

Unser Ziel ist es, Ihnen zu helfen, Ihre Emotionen besser wahrzunehmen und zu regulieren. Indem wir Wege finden, Ihre Amygdala zu beruhigen, ermöglichen wir Ihrem Neocortex, wieder die Kontrolle zu übernehmen.
So können Sie bewusster handeln, Konflikte konstruktiver lösen und Ihre Gefühle in positive Energie umwandeln.

Möchten Sie lernen, wie Sie in hitzigen Momenten Ruhe bewahren und konstruktiver kommunizieren können? Dann buchen Sie gern ein Erstgespräch bei mir. Ich bin für Sie da.